Bingo, Motown und viel Geschunkel – Mit der Fähre von England nach Spanien

Wir sind in Plymouth und vertreiben uns die letzten Stunden vor unserer Überfahrt nach Santander mit Dingen die man halt so tut wenn man wartet. Parkplatz suchen, Essen kochen und noch schnell im Supermarkt letzte Utensilien kaufen. Dann geht es zum Hafen wo unsere Fähre, die Pont Aven, bereits liegt und auf uns wartet. Schon hier lässt sich beim Blick aus dem Fenster erahnen, dass wir den Altersdurchschnitt um einiges nach unten ziehen werden. Die Fährverbindung England – Spanien scheint sehr beliebt zu sein bei den älteren Generationen. Es ist kein Geheimnis, dass Spanien ein beliebtes Auswanderer- bzw. Altersdomizil bei den Briten ist. Das sieht man hier sehr deutlich.

 

Blick auf den die Stadt Plymouth in England

 

Nachdem wir unseren Dicken erfolgreich im Rumpf der Fähre geparkt haben geht es auf Deck 5 zu unserer Kabine. Leider waren wir bei der Buchung etwas spät dran und sämtliche Außenkabinen mit Meerblick waren bereits ausgebucht. So blieb uns nur, was man früher wohl gut und gerne unter der Kategorie „Holzklasse“ verbucht hätte. Eine ca. 3,5 x 2,5m große Kabine ohne Tageslicht mit Klappbetten die sich aus Wänden und Decke herausklappen lassen. Immerhin ein eigenes WC, das zweite auf unserer ganzen Reise! Das Gute ist aber, dass die Abfahrtszeit mit vier Uhr nachmittags für die ca. 22 stündige Überfahrt gut gelegt ist. So kann man sich einrichten, das Schiff erkunden, essen, schlafen und wenn man aufwacht ist man quasi kurz nach Mittag auch schon angekommen

 

Mini-Kreuzfahrt in der ‚Holzklasse‘

Genauso machen wir es auch. Diese Fährüberfahrt ist so etwas wie eine Mini-kreuzfahrt. Zumindest stelle ich es mir so vor, da ich noch nie eine Kreuzfahrt gemacht habe. Das Schiff hat aber alles was man auch sonst von Kreuzfahren so hört. Boutiquen, Bars, Restaurants und sogar einen Pool, der sich mitten in der Bar befindet. Wahrscheinlich hatten die Schiffsplaner einmal ein anderes Publikum für den Kahn vor Augen. Hier und heute steigt zumindest keine Poolparty und das ist bei dem Klientel auch gut so 😉

 

Blick in Standardkabine und auf den Pool des Schiffs

 

Wir gehen mit unserem Kleinen in die Kinderecke und lernen dort Barbara und Shaun kennen. Die beiden sind mit ihren Söhnen von London nach Lucia in Spanien ausgewandert. Shaun ist ehemaliger Börsenmakler und gerade dabei, sein erstes Buch heraus zu bringen. Spanien sei so eine Art Lifestyle Schritt, den sie gegangen sind, denn London sei keine gute Gegend Kinder großzuziehen. Die beiden Jungs werden in Spanien am Strand sicher eine schönere Kindheit erleben. Wieder eine sehr interessante Begegnung. Wir essen gemeinsam zu Abend. Lammbraten mit Gemüse, Kartoffelbrei und Gravy. Dazu ein Glas Rotwein. Zum Glück ist das Schiffsteam Französisch. So ist die Küche durchaus genießbar und auch die Preise sind human. Ca. 13 Pfund zahlen wir pro Gericht mit Wein.

Entertainment darf bei den Briten nicht fehlen

Anschließend bringen wir den Kleinen ins Bett. Er ist so platt von all den Eindrücken, dass er uns fast auf dem Arm einschläft. Wir beschließen, unsere Babyphone-App auszuprobieren. Yeah, diese funktioniert einwandfrei! So können Britta und ich sogar noch einmal gemeinsam an die Schiffsbar und haben seit langem mal wieder so etwas was man glatt ein Date nennen könnte, wenn nicht diese Computer und Handys immer dabei wären…

 

Blick auf Atlantik beim Sonnenuntergang

 

In der Bar ein Deck tiefer ist das Entertainmentprogramm in vollem Gange. Danny Dunn ist mit seiner Livemusik gerade fertig und jetzt startet, wie könnte es anders sein bei den Briten, das Cash-Bingo. Ach ja, auch das ist England denken wir uns und ziehen es vor noch einmal an Deck zu gehen. Nachts im Dunkeln so mitten auf dem Atlantik ist irgendwie ein aufregendes Gefühl. Man kommt sich durchaus klein vor, so viel sei gesagt. Auch den Seegang merken wir jetzt deutlich. Die Bucht von Biskaya ist für Ihre raue See durchaus bekannt. Alles in allem hält es sich aber noch in Grenzen, der Magen macht ganz gut mit. Hatten wir schlimmer erwartet, denken wir uns. Britta beschließt nach unten in die Kabine zu gehen. Ich bestelle mir noch ein Getränk an der Bar und schreibe ein wenig am Blog. Ein Deck tiefer stehen jetzt die ‘Mosound Sisters‘ auf der Bühne. Welche Musik den Engländern hier um die Ohren geschmettert wird brauche ich bei dem Namen wohl nicht näher erläutern. „Upside down you’re turning me…“ tja, denke ich mir, die gute Diana Ross darf da natürlich nicht fehlen und irgendwie habe ich bei dem Song passenderweise das Gefühl, dass auch der Seegang zugenommen hat. Ich nehme also den letzten Schluck und lege mich nach unten zu den anderen.

 

Aufwachen direkt an der Wasserkante

Am nächsten Morgen wachen wir alle mit ziemlichen Ringen unter den Augen auf. Die Nacht war doch etwas anstrengender als wir anfangs dachten. Unser Kleiner fand die ungewohnte Umgebung mit Bullaugenspiegel in der Kabine und die mit dem Seegang klappernde Lampe nicht ganz so toll. Die Bucht von Biskaya hatte zu späterer Stunde Ihrem Ruf nochmal ein wenig die Ehre erwiesen. Doch wir haben es ja fast geschafft. Wir gehen nach oben und frühstücken erstmal. Beim Full-English Breakfast der französischen Küche ist es dann aber wie mit der Pizza beim Türken. Sollte man nicht machen, und erst recht nicht wenn die Schlange bestimmt 20 Meter lang ist, was aber irgendwie niemanden stört. Kurz darauf ertönt auch schon die Durchsage – wir befinden uns in der Anfahrt auf den Hafen von Santander. Wir verabschieden uns von Shaun, Barbara und Ihren Kindern, die wir erneut in der Kinderecke treffen und packen unsere Sachen. Der Einlauf in den Hafen ist unspektakulär und eine gute Stunde später rollen wir auch schon auf der spanischen Autobahn in Richtung unseres ersten Zieles, San Vicente de la Barquera.

Dort angekommen erspähen meine Augen bei der Anfahrt über die sich schlängelnde, schmale Küstenstraße saubere, schulterhohe Wellen. Dazu ein sehr leeres Line-Up. Jetzt muss es wieder einmal schnell gehen. Wir parken den Dicken auf einem kleinen Parkplatz, direkt am Strand, mit Meerblick. Dort hat sich bereits eine kleine Kommune von anderen Campern gebildet, die hier schon länger zu stehen und zu übernachten scheinen. Ist hier sehr zu empfehlen, auch mal frei mit dem Camper zu stehen, hier in Nordspanien geht es tatsächlich noch. Es gibt eine Stranddusche und sogar eine Toilette. Auch wir beschließen die Nacht hier zu verbringen. Ich springe für gute zwei Stunden ins Meer und komme anschließend mit einem Grinsen zurück an den Kasten. Das ging schon gut los. Zwar ist die Sonne noch nicht draußen, aber Temperaturen und Wellen stimmen schon einmal.

 

Blick auf das Meer aus dem Heck des Campers

 

Am nächsten Morgen wachen wir auf und haben prompt das Gefühl, dass etwas anders ist als sonst: ja, es ist heller! Wir öffnen das Schieberollo und endlich ist sie da, die Sonne. Wir öffnen die Hecktüren des Dicken und holen unseren Kleinen zu uns ins Bett zum allmorgendlichen „Gämmelritual“. Ach ja, denken wir uns. So kann es ab jetzt jeden Morgen sein. England war wunderschön, uns wird dennoch sofort bewusst welchen Unterschied plötzlich Wetter und Klima machen. Die Zeit zum Relaxen kann beginnen!

Neben uns parkt Christian, ein äußerst netter Typ aus Wien. Wir kommen ins Gespräch und quatschen fast den gesamten Vormittag. Er und sein Bruder seien in den letzten Jahren bereits die gesamte Nordspanische Küste abgereist auf der Suche nach einer geeigneten Location für ihr eigenes Business. Eigentlich wollten sie eine Kiteschule mit angrenzendem Campingplatz aufmachen. Nachdem sie allerdings festgestellt haben dass die Grundstücke am Meer zu teuer sind, haben sie stattdessen eine Boulderhalle in Wien eröffnet. Da er selbst, sowie fast seine halbe Familie, gelernter Tischer ist, haben sie fast das gesamte Interior selber gebaut. Das klingt ziemlich interessant und wir versprechen ihm, bei unserem nächsten Stopp in Wien einmal vorbei zu schauen. Seine Webseite www.blockfabrik.at lässt zumindest schon einmal vermuten, dass er nicht zu hochgestapelt hat als er behauptet, dass die Halle anscheinend die schönste Boulderhalle in Wien sein soll. Wer also mal dort ist und gerne klettert, der sollte sich mal selbst ein Bild machen. Der Inhaber ist zumindest schon einmal sehr sympathisch.

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