Ruinen, Planwagen und die mystischen Steine in Südengland
Als wir zu später Stunde auf den Campingplatz South Lytchett Manor am Rand der südenglischen Küstenstadt Poole eintreffen, zeigt sich das britische Wetter von seiner bekannten, rauen Seite. Leider. Was wir zuvor nicht wussten, ist dass dieser Campingplatz zum beliebtesten Campingplatz in der UK gewählt wurde. Daher ist er selbst zu dieser Jahreszeit noch fast komplett ausgebucht. Wenn man jedoch einmal hier gewesen ist, weiß man auch warum dieser Platz so gut ankommt. Die Leute hier stecken wirklich sehr viel Liebe ins Detail und darüber hinaus sind alle Mitarbeiter unfassbar nett und hilfsbereit. Es sei gleich vorweg gesagt, wir können einen Stop auf diesen Camingplatz jedem Südengland-Reisenden nur wärmstens empfehlen.
Nach nunmehr 9 Nächten Bulli-Leben auf engsten Raum und der Aussicht auf wenig besseres Wetter entschließen wir uns daher auf ein größeres Gefährt umzusiedeln. Wir beziehen Anastasia, einen fassförmigen Planwagen. Und weil es so schön ist auch gleich für satte drei Nächte – man gönnt sich ja sonst nichts. Unsere rollende kleine Wohnung ist urgemütlich. Mit kleinem Ofen und sogar TV (den wir nicht brauchen) ausgestattet. Auch von außen ist sie sehr schön bemalt und steht neben ihren 3 kleinen bunten Schwestern schön eingebettet in eine bewaldete, hügelige Landschaft. Anastasia wird Ausgangspunkt für die nächsten Ziele in der näheren Umgebung sein.
Auf nach Stonehenge
Damit Vater und Sohn ihre Zweisamkeit an ersten Tag im Fasswagen auch ausgiebig genießen können, es ist ja schließlich Elternzeit, setze ich mich in den Dicken und fahre zu den großen mystischen Steinen in England, nach STONEHENGE.
Die Landschaft ist eigentlich gar nicht so anders als zuhause, mit Wäldern, Wiesen und Ackerflächen. Allerdings ist sie viel hügeliger und kurviger. Das macht sie für mich nordische Flachländerin irgendwie malerischer. Eins fällt mir jedoch sofort auf. Die Engländer rasen über ihre Landstraßen wie nichts Gutes. Da bleibt kaum Zeit um aus dem Fenster zu gucken – Spur halten ist angesagt.
Dann sagt mir mein Blick über die Felder, dass die Engländer irgendwie bessere Strohhaufen bauen können als wir Deutschen. Alle schön geradlinig angeordnet auf den Feldern oder auch als Kästen gestapelt und aufgetürmt zu riesigen Mauern. Wahnsinn. So etwas hatte ich noch nicht gesehen.
Nach etwa einer Stunde kurviger Autofahrt komme ich bei dem UNESCO Weltkulturerbe an. Zumindest am Parkplatz. Steine sind hier irgendwie keine zu sehen. Ich dachte die wären so groß?! Stattdessen stehen vor dem Eingang eines futuristischen Gebäudes ein paar abfahrbereite Busse. Aha, damit geht es wohl zu den Steinen.
So ist es auch. Die Steine stehen eingebettet in einer weitläufigen, hügeligen Landschaft. Man würde sie dort gar nicht erwarten. Das Wetter ist grau, kreiert aber irgendwie die perfekte Stimmung für diesen mystischen Ort. Der Audio-Guide erklärt mir, dass Stonehenge eigentlich viel mehr ist als nur die bekannten Steine, die man aus Zeitschriften und dem Fernsehen kennt. Sie bilden lediglich das Zentrum mehrerer Denkmäler, die hier im nahen Umkreis in die Natur eingebettet sind.
Stonehenge entstand zwischen der Jungsteinzeit und der Bronzezeit, mehrere tausend Jahre v. Chr. Der Grund für den Bau dieser einmaligen Stätte ist bis heute ungeklärt. Man ist sich lediglich sicher, dass die Steine nach den Positionen der Sonnenwende und Tagundnachtgleiche angeordnet wurden. Am Morgen des Midsommertags (wenn die Sonne im Laufe des Jahres am nördlichsten steht) fielen die Sonnenstrahlen in gerader Linie ins innere des Bauwerks.
Zudem wurden hier und in der umliegenden Hügellandschaft Grabmäler entdeckt, die mittlerweile wie mit Gras bewachsene Hügel aussehen. Ein schlüssiger Zusammenhang dieser Entdeckungen konnte aber auch nach unzähligen Jahren der Forschung bis heute nie ganz gezogen werden.
Auch die vielleicht noch viel interessantere Frage, nämlich wie die tonnenschweren Steine in der damaligen Zeit mit den vorhandenen Mitteln dorthin und dann auch noch aufeinandergestapelt wurden, ist ungeklärt. Diese für mich unbegreifliche Vorstellung ist, wie ich finde, das wirklich Beeindruckende an Stonehenge.
Es sind am Ende genau diese vielen ungeklärten Fragen die diesen Ort irgendwie so spannend machen. Und wenn ich in die staunenden Gesichter meiner Chinesischen, Schwäbischen und australischen Touri-Nachbarn hier blicke wird mir klar, dass viele diese Leute heute wahrscheinlich nicht hier wären wenn die Forscher alle Antworten liefern könnten.
So ist und bleibt Stonehenge ein magisches und beeindruckendes Denkmal, welches auf dem Plan eines Südengland-Reisenden auf keinen Fall fehlen sollte.
Die Umgebung von Poole
Die Umgebung rund um Poole ist tatsächlich extrem abwechslungsreich, denn sie bietet nicht nur viel Kultur und Geschichte, sondern auch einen tollen Strand und Dünen. Poole Harbour ist einer dieser Plätze, an denen Wind, Hafen und Meer eine besondere Rolle spielen: er ist einer der bekanntesten Kitespots in England, zufälligerweise hier ganz in der Nähe. Somit hieß es auch für uns ab auf´s Brett, die Bedingungen haben sich bei andauerndem „British Nieselregen“ allerdings nicht von der besten Seite gezeigt. Was soll´s, wir haben sozusagen zumindest „angekitet“!
Ein kleines Highlight gab´s dann noch zum Schluss unserer Tage in der Region Poole: Corfe Castle und das Städtchen Swanage, beides Empfehlungen unserer neuen Bekanntschaften auf dem Campingplatz. Ob nun mit oder ohne Dampf-Eisenbahn nach Corfe Castle, dieses Örtchen ist eine kleine Reise wert! Es ist nämlich gar kein Schloss, sondern wenn man näher kommt sieht man eine Burgruine auf einem Berg, den man zu Fuss auch mit Kinderwagen erklimmen kann, und rundherum ein niedliches Stadtzentrum mit kleinen Häusern, wie man sie hier aus der Region kennt, einfach Stein auf Stein gebaut und mit ganz viel Liebe dekoriert und erhalten. Sie sind so schön anzusehen, immer wieder! Und mit unserem Sprinter haben wir es dann auch durch die engen Gassen geschafft.
Swanage liegt nicht weit entfernt, wir hatten unterschiedliche Meinungen gehört, wurden aber positiv überrascht! Ein kleines Hafen-Städtchen mit einer schönen Bucht, ein paar netten Geschäften zum bummeln und Strandcafés, eine perfekte Abwechslung zu den Tagen vorher.
Die Rückreise zu unserem rollenden Zuhause traten wir dann nicht über die Landstrasse an, sondern per Fähre! Wohl die kürzeste Fährfahrt überhaupt, ich würde sagen 250m und ganze 5 Minuten, aber definitiv ein Erlebnis mit Fahrt durch Heidelandschaft und Dünen und am Ende ein belohnendes Panorama auf Poole, Hafen & Halbinsel. Für uns steht fest: Trotz des vielen Regens – und das ohne Gummistiefel & Regenjacke – haben wir diese Region lieb gewonnen!